Der Pickup von Teilhol - in Frankreich häufig im Einsatz, in Deutschland auch zur Bauzeit kaum anzutreffen. Erst 1979 wurden mit dem auf Golf I-Basis entstandenen VW Caddy kleine, nützliche Pick-ups bei uns populär. Fotos: Oldtimerreporter.Müller
Ein sonniger Tag. Eine sattgrüne Main-Landschaft erfreut die Sinne des Renault-wandernden Schreibers auf‘s Höchste. Märchenwälder wechseln sich mit Fachwerkorten ab, schon die Anreise zum Treffen „60 Jahre R4 Deutschland“ ist ein Fest schlechthin für den Oldiefahrer. Der R9 Diesel brummt sein gemächliches Lied, sein (Nicht-) Tempo passt wie angegossen zur ländlichen Umgebung. Orte mit Namen wie Faulbach, Kropfbrunn und Stadtprozelten ziehen gemütlich vorbei. Das Ziel naht: Dorfprozelten. Die ersten Dreigang-R4 tauchen im Straßenverkehr auf, Faszination pur. Einfahrt zum Festgelände, des Schreibers Augen glänzen. Bereits jetzt erleuchten Dutzende von Quatrelles aller Jahrgänge und Farben den Platz nahe des Mainufers.
Alubrillen, Dreigang, GTL, weiß, gelb, orange, grün, schlichtes Grau und vieles mehr – ein absolut entzückendes R4- Kaleidoskop. Ventoux – und Cléon-Motoren singen ihr süßes Lied, das eindeutig weit oben auf die Hitliste der schönsten Motorenklänge gehört. Einfach so entstanden, ohne die Hilfe von Sound-Ingenieuren. Der Schreiber stellt den Diesel seines R9 ab und lauscht. Wo ist der nächste Musikproduzent? Einmal aufnehmen, bitte. Der Weg zur Anmeldung führt an weiteren Renault-Pretiosen vorbei. Ah, ein R6 gesellt sich dazu! Und R5! Nanu, ein Mercedes /8? Ach so, ein Oldie des Staffs. Genehmigt, Renault-Fahrer sind ja tolerant. Überhaupt fällt die friedliche Atmosphäre auf. Kein PS-Gebrüll, kein sich gegenseitiges Überbieten der Motorkräfte, einfach nur alte Renault – und das ist gut so. Auffallend auch die Vielzahl an fleißigen Helfern, die stets freundlich zur Stelle sind. Die Liebe zu Renault ist an allen Ecken zu spüren. Von der Anmeldung aus geht es zum nahen Campingplatz am idyllischen Mainufer. Auch hier wieder ein Anblick wie im Renault-Paradies: R4 Dreigang weiß, R4 F4 Alubrille hellblau, R4 Clan, R5 Automatic… Mein R9 ist der Einzige seiner Spezies hier, aber das ist bei diesem Anblick sehr leicht verwindbar.
Farb-Orgie: So sieht es aus, wenn alle R4-Farben per Kotflügel zur Quatrelle-Rose drapiert werden.
Zurück zum Festgelände, weitere „Inspektion“. Unterhaltung mit Geraldine de Comtes über ihre bezaubernde, „filmberühmte“ R4 Parisienne. Viele Parisienne sind heute nicht mehr übrig geblieben, genau drei davon in schwarz mit gelbem Korbgeflecht. Eine rettete Geraldine de Comtes aus der Scheune eines alten Bauern in Frankreich, inklusive Maiskörnern unter der Rückbank. Auf der Suche nach einem Ersatz für ein Seitenteil mit gelbem Korbgeflecht begab sich Geraldine de Comtes mit dem R4 auf eine lange Reise, begleitet von einem Filmteam des SWR. Formidable! Mitten in den R4-Plausch ertönt die Kunde, dass ein R3 (!) eingetroffen sei. Spurt zur Besichtigung! Nein, es ist kein ultra-seltener R3, sondern ein sehr alter R4 Standard, Erstzulassung Juni 1962. Und sie fährt doch! Die Optik dieser Quatrelle lässt zunächst vermuten, dass sie keinesfalls einsatzbereit ist. Rostnarben zieren das schlichte Standard-Blechkleid rundum. Aber eben nur oberflächliche Narben, im Kern ist dieser R4 absolut gesund. Keine Durchrostungen des Chassis, kein Killerrost an der Hinterachse, nichts! Die magere Standard-Ausstattung, die „Nutzoptik“, das alles geht eine faszinierende Melange ein. Ihre lange Existenz verdankt die Quatrelle dem Leben in Südfrankreich. Von dort gelangte sie in den 2010ern nach Holland und später nach Bayern zu Jürgen Eickelpasch. Der Motor lässt das frühe, etwas holprige Ventoux-Lied hören. TÜV und Zulassung o.k.! Das lässt sich von einem anderen R4-Exemplar nicht ganz behaupten.
Auch im Zustand 5 ist so eine Quatrelle noch 950 Euro wert. Warum? Nun, einige Erstzteile sind heutzutage kaum noch zu bekommen. Oder vielleicht braucht der Quatrelle-verliebte Ersteigerer ja noch ein Viele-Winter-Restaurierungsobjekt??
R4 1972 in partiellem Weiß 355, untermalt von groben Durchrostungen an allen Ecken. Entzückender, recht gut erhaltener Innenraum in rot. Nun, der Motor läuft, aber fahren sollte man damit eher nicht mehr… Stilllegung in den 2000ern, Abstellplatz Scheune (oder Tropfsteinhöhle?). Jetzt wird dieses gut abgehangene Exemplar meistbietend versteigert. Dem Mutigen gehört die Welt! Besonders dem R4-Fan, der den 1972er für kleine 950 € ersteigert. Weitere Verwendung? Vor und nach der Versteigerung völlig im Dunkeln. Der Auktionator spielt mit dem Mitleid der Fans: Immer wieder streut er ein, dass einzelne Teile des Scheunen-R4 einen hohen Wert hätten. Einen R4 der Teile wegen schlachten und den Rest verschrotten? Niemals, sagt sich der wahre R4-Fan und gibt ein Höchstgebot ab… Ob er den Kauf beim abendlichen Musik- und Verpflegungsprogramm feiert, ist offen. Möglicherweise braucht es auch alkoholischen Trost… Vielleicht gewinnt er bei der Tombola den Hauptpreis- eine unbeschädigte R4-Alubrille? Offensichtlich verspürt er aber nicht den Wunsch, beim traditionellen Fischerstechen gleich ins Wasser zu gehen.
Noch seltener als Goldstaub: eine der raren Renault 4 Parisienne, seinerzeit ganz gezielt als Frauenauto von Renault aufgelegt. Es gab sie in zwei Deko-Versionen: mit einer Art Korbgelecht-Muster wie hier. Und in der anderen Variante gab sich die Quatrelle mit einem Karo ziemlich kleinkariert.
und einmal mit einem Karo/n malader R4 in Einzelteilen wäre auch für das R4-Museum passend, das man auf dem Gelände finden kann. Hier findet sich Interessantes zur Entwicklungs- und Produktionszeit des R4. Zeitungsausschnitte aus den späten 50ern, die Lenkräder der verschiedenen Epochen, Lüftungsklappen in den verschiedenen R4-Farben und vieles mehr. Der Schreiber sieht und staunt, wie früh sich die Quatrelle bereits zum Kultobjekt mauserte. Auch hier ist die absolute Liebe der R4-Fans zu ihrer Quatrelle zu spüren – und die der Veranstalter ohnehin. Man sollte ja vorsichtig sein mit dem Begriff Gänsehaut, aber die Ausfahrt aller teilnehmenden Renault ins Frankenland hat eindeutig solche Qualitäten. Etwa 100 Renault-Oldies aller Farben ziehen ins Grüne und bilden dort – bestens choreographiert- auf einer Wiese die Zahl „60“. Nicht genug damit, die Renault sind auch exakt nach Farben blau-weiß-rot aufgestellt, die Tricolore lässt grüßen. Und all die orangen, grünen, gelben etc. Exemplare reihen sich außen auf. Die bunte Renault-Welt nimmt alle auf! Apropos Aufnahme: Drohnen fertigen Luftbilder an, die später der begeisterten Fangemeinde präsentiert werden. Unvergesslich! Beeindruckend auch die Schilderung zweier junger Männer, die als Studenten an der R4-Trophy teilnahmen. Basisfahrzeug: Ein zunächst etwas verlebter R4, der in monatelanger Kleinarbeit fahrfertig gemacht wurde- und die Nordafrika-Tour heil überstand. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hatte die weiteste Anreise ins Frankenland? Auch diese Frage wird beantwortet: Ein wahrer Fan reiste 1800 km auf eigenen R4-Rädern aus Saintes-Maries-de-la-Mer an. Moment, bei dem Ortsnamen klingelt es doch… Richtig, es ist jener Ort in der Camargue, in dem die Quatrelle 1961 erstmals der Presse vorgestellt wurde. Das nennt man Historie! Im besten Sinne historisch natürlich auch der bereits erwähnte älteste Renault des Teilnehmerfelds. Er erhält ebenso eine Ehrung wie jener R4 mit den meisten (373.600) bzw. wenigsten (11.900) km und jener, der sich am längsten im Besitz (seit 1981) eines Liebhabers befindet. Im Grunde haben sie alle eine Ehrung verdient, die wunderbaren alten Renault in Dorfprozelten. Zum Beispiel der R4-Jünger, der mit dem 6 –Volt-R4 aus Plön anreist und mehrfach liegenbleibt. 6-Volt-Lichtmaschine in Frankfurt (!) aufgetrieben, eingebaut und vorsichtig weiter bis Dorfprozelten. Das ist wahre R4-Liebe! Noch mehr Dank gilt dem R4-Club Deutschland als Veranstalter, der ein wahrhaft buntes Treffen auf die Beine stellte. Es leben die Farben, es lebe Renault, es lebe die Quatrelle!