Der L 4500 von Burkhard Fromm hat ein bewegendes Leben hinter sich und darf sich jetzt als einer der wenigen Überlebenden freuen, in Birkenwerder in pflegenden Händen zu sein. Fotos:Oldtimerreporter.Eichbaum
Nein, zufällig hatte Mercedes-Benz in en 1920er Jahren nicht beschlossen, dass der Dieselmotor ideal für mittlere und schwere Lkw geeignet sei. Aber Zufälle machen das Leben aus, und auch Burkhard hatte nicht die leiseste Ahnung, was sich aus seiner Reaktion auf ein Inserat alles ergeben würde.
„Für meine Mercedes-Feuerwehr LF25 auf Basis des L 4500 S, die bis 1983 im Nachbarort gelaufen war“, berichtet der Fuhrunternehmer aus Birkenwerder, „suchte ich vor 19 Jahren einige Teile und meldete mich auf eine Annonce aus Isny im Allgäu. Der Anbieter, so stellte sich dann heraus, hatte aber ein komplettes Fahrzeug abzugeben. Ich war jedenfalls interessiert und legte auf dem Weg in den Italienurlaub einen Halt ein.“ Nur aus Altersgründen wollte der Vorbesitzer seine L 4500 S Pritsche veräußern, die er einst in Erinnerung an sein Architekturstudium angeschafft hatte, zu dessen Finanzierung er auf einer Kipper-Ausführung Kies ausgefahren hatte. „Da der gute Mann nicht an irgendwen verkaufen wollte, ich schon einen solchen Benz hatte und auch gut mit der unsynchronisierten Schaltung umzugehen wusste, bekam ich nach vierwöchiger Bedenkzeit den Zuschlag.“
Die Überführung auf einem Tieflader des eigenen Fuhrbetriebs gestaltete sich unproblematisch, auch die durchgefaulte Pritsche sorgte nicht für Bauchschmerzen: „Zum Kaufumfang gehörten eine originale Werkszeichnung für eine Rekonstruktion und, noch viel besser, sämtliche Beschläge im neuwertigen Originalzustand. So konnte ein Stellmacher ein neues Ladebett anfertigen, ein paar Blecharbeiten waren rasch erledigt. Die Neulackierung kam im blau-silbernen Farbschema des 1908 gegründeten Fuhrunternehmens Fromm, das umlaufende Rautenband erinnert an die vom Reichs-Kraftwagen-Betriebsverband im Juli 1936 erlassene Kennzeichnungspflicht für Lkw im Nah- und Fernverkehr. Das in Beige gehaltene Band wurde nach dem Krieg weiter verwendet, mein Wagen hätte es im kommerziellen Einsatz getragen.“
Bis 1954 wurde der L 4500 in dieser Form ausgeliefert. Mit leicht gerundeter Front lebte die Formensprache als L 312 bis 1961 weiter.
Hätte? Was hat der Benz denn tatsächlich gemacht? Über die bewegte Vergangenheit gibt der noch vorhandene erste Fahrzeugbrief Auskunft, zunächst versah der 1943 gebaute Mercedes Dienst auf dem Fliegerhorst der Luftwaffe im fränkischen Kitzingen. Bei Burkhards Exemplar dürfte es sich um eines der letzten mit der regulären Blechkabine handeln, die im Laufe des Jahres 1943 zwecks Materialeinsparung dem aus Holz gefertigten Einheitsfahrerhaus der Wehrmacht wich. Auch die gewölbten Kotflügel machten in diesem Zuge einfacheren flachen Platz. Nach dem Krieg verblieb das 1939 eingeführte Modell vor Ort, machte sich beim Stadtfuhrhof nützlich. Dort wurde er 1959 abgemeldet, danach verlor sich seine Spur. Einziger bekannter Aufenthalt bis zu seiner Zeit bei dem Architekten war bei einem Filmausstatter, der den für den Einsatz bei Kriegsfilmen eine Art Camouflage-Lackierung auftrug.
Ein Volant, der locker die Muckibude ersetzt - wohl eher nichts für Trucker-Babes, oder doch?
Während in der Werhmacht sämtliche Panzer, die Kübelwagen und die Opel Blitz-Lkw reichlich Benzin schlürften, ging im langen Vorderwagen des L4500 S der OM 67/4 geräusch- wie geruchsvoll zu Werke. Das war logistisch kein Problem, denn mit den 2,5-Tonnen-Einheitsdieseln und diversen anderen Mercedes Lkw-Modellen war ohnehin eine große Anzahl Selbstzünder mit Dieselkraftstoff zu versorgen. Mit dem 112 PS starken 7,3-l-Reihensechszylinder waren maximal 66 km/h drin, womit Autobahnen heutzutage von vornherein ausfallen. Das Drehmoment von 350 Nm wird in der Straßenversion über ein Fünfgang-Getriebe an die hinteren und im L 4500 A an alle Räder geleitet. Das schlug sich freilich auf die Nutzlast nieder: Der 5.715 kg schwere Allradler durfte auf der Straße 4685 kg und offroad 4085 kg Fracht befördern, der L 4500 S mit einem Leergewicht von 4930 kg hingegen 4950 kg – die nominelle Zuladung der namenstiftenden 4500 kg wurde damit deutlich überschritten.
Der in der IG „Kapitäne der Landstraße“ engagierte Burkhard hatte anfangs ernsthafte Sorgen, seinen Neuerwerb auf selbige zu bekommen – die Bremsanlage war hinüber, Ersatzteile in Deutschland nicht aufzutreiben. Dafür fand sich die Objekte der Begierde in Argentinien, wo die Stuttgarter 1951 ein Werk eröffnet hatten und der dortigen langen Nutzungsdauer der Fahrzeuge mit entsprechender Vorratshaltung Rechnung trugen. Um den fehlenden Stern auf dem Kühler zu ersetzen, musste der Unternehmer indes nicht in die Ferne schweifen, den hatte er schon Jahre vorher auf einem nahen Trödelmarkt erstanden. Die lange Bauzeit und die mittlerweile zahlreichen Kontakte halfen über viele Engpässe hinweg, aber eben nicht alle. „Der Vorkammer-Diesel lief bereits beim Kauf hervorragend, den haben wir gar nicht erst aufgemacht. Allerdings rappelte er mit der Zeit ganz furchtbar, was an den völlig überalterten Silentblöcken lag. Nur woher neue nehmen? Die Lösung kam ganz unverhofft, als ich einem Handwerker in Nöten mit Spezialwerkzeug aushelfen konnte – der fertigte mir zum Dank zehn Blöcke zum Vorzugspreis.“ Was der Zufall nicht alles bringt.
Filmversion: In dieser Tarnlackierung diente Burkhards L 4500 einst in diversen Kriegsdramen.