Geschwistertreffen: Das "französische Pony-Car" Renault 15 / 17 sollte Ford Capri und Opel Manta kontern.
Foto: Robert Göschl
Erstens kommt es anders…. Die Wucht dieser Erkenntnis, traf auch den Zeesener Martin Herkel, als er sich aufmachte, aus der Auflösung eines Renault-Autohauses einige tauschwerthaltige Renault 4-Teile zu bergen. Zurück kam er mit der noch feuchten Unterschrift unter den Kaufvertrag für einen Renault 17.
1971 überraschte Renault Fachwelt und Publikum gleichermaßen mit der Vorstellung der neuen Mittelklasse-Coupés Renault 15 und Renault 17. Drei Jahre zuvor war mit der Caravelle das letzte Coupé aus dem Programm genommen worden. Seitdem konzentrierte sich die Régie auf grundsolide und nutzwertige Limousinen wie den Renault 12, der die technische Basis für die neuen Coupés lieferte.
Selbst die eigenen Werbetexter schienen überrascht: der Renault 15 bekam das Etikett elegante Sportlimousine, der Renault 17 wurde als komfortables Sportcoupé beworben. Zeitgleich war beim Opel GT nur fliegen schöner, der Manta SR wurde als Vollblut beworben und beim Ford Capri wurde im Werbesprech der Vorsprung immer größer. Die Renault-Texter hatten es sich wohl in der Limousinen-Welt gemütlich gemacht.
Mit den wenig markigen Worten gelang immerhin die Abgrenzung zwischen R15 und R17. Die optischen Unterschiede lagen in der Seitenlinie mit dem riesigen hinteren Fenster beim R15 und der gegenläufigen C-Säule mit dem Kiemendreieck beim R17. Die Scheinwerfer: rechteckig bei R15, doppelrund beim R17.
Obwohl der Renault 17 als Gordini 1974 einige Erfolge im Rallyesport einfuhr, favorisierten die Käufer offenbar die komfortablere Auslegung – oder die günstigeren Preise – des Renault 15. Mit knapp 230.000 zu knapp 95.000 gebauten Exemplaren überwog der R15 deutlich.
Der Markterfolg blieb selbst mit diesen Stückzahlen vergleichsweise überschaubar. Opel verkaufte fast zeitgleich vom wesentlich spezieller zugeschnittenen GT knapp über 100.000 Stück und vom Manta A fast eine halbe Million. Ford brachte allein von der ersten Capri-Baureihe knapp 800.000 auf die Straße. Im Umfeld der Oberlippenbärte und schweren Gasfüße haben Renaults Komfortcoupés nicht so recht Tritt gefasst.
Aber formulieren wir es positiv: Renault 15 und 17 waren und sind Autos für den Kenner. Einer dieser Kenner ist Martin Herkel, der sich schon in früher Kindheit mit dem „Virus Rhombus“ infizierte. Ansteckungsort war zweifelsfrei der Rücksitz eines der drei elterlichen Renault 4-Modelle. Ein Renault 4 musste es dann auch bei ihm werden, Baujahr 1971. Da liegt natürlich immer mal etwas zu schrauben an.
Fahrbereit machen oder Vollrestaurierung - die Frage aller Fragen der Oldtimerfans beschäftigt Martin Herkel auch nach dem Erwerb des "´Séparé-Fundes" bei Dietmar Lorken-Korte.
Fotos: Oldtimerreporter.Kruse
Die Ersatzteilsituation beim Renault 4 ist über weite Baugruppen eher durchwachsen und die Preisvorstellung mancher Teileanbieter mit dem Wort abstrus noch sehr höflich umschrieben. Der harte Kern der Renault-Szene hat sich deshalb auf die uralte Kulturtechnik des Tauschhandels besonnen.
Den Renault 17 hatte Martin nicht gerade auf dem Schirm, als er von der Auflösung der Firma Renex-Korte hörte. Der Gedanke hinzufahren und R4-Teile zu bunkern lag hingegen nahe, näher zumindest als Dietmar Lorken-Kortes heilige Hallen in Schwerte. Egal: er packte Tochter und einen namhaften Teil seiner Barschaft ins Auto und begab sich auf die Reise ins östliche Ruhrgebiet.
Dort angekommen verlief zunächst alles nach Plan. Martin fand ein paar Pretiosen für den eigenen Renault 4 nebst einigem gut tauschbaren Material. Die Plauderei mit Dietmar blieb anfangs harmlos, nach einem kaum erkennbaren Abzweig im Gesprächsfluss über die gemeinsame Renault-Leidenschaft führte er Martin aber in ein Séparé. Dort präsentierte er einen Renault 17 TL aus 1973. Blau, Faltdach, aus einem nicht erkennbaren Grund halb auf die Knollennase nach der Modellpflege umgerüstet, aber mit gesunder Substanz.
„Papa, ist der schön!“ Dieser Aufruf von Martins Tochter brachte ihm zwar unmittelbar Absolution, wirkte sich aber auch empfindlich auf die folgenden Preisverhandlungen aus. Der Rest war Formalität. Wenigstens waren H-Zulassung und fahrbereiter Zustand noch reinzuverhandeln und kurz danach hat Martin den R17 auf eigener Achse nach Zeesen geholt.
Die genaue Bestandserfassung förderte überschaubare Baustellen zu Tage. Die rechte A-Säule braucht etwas Zuwendung, die Vorderachse ist mittlerweile saniert und die Innenausstattung zwar vollständig, aber nicht original. Keine unüberwindbare Aufgabe, den R17 bald wieder auf die Straße zu bringen.
A-Säule ein wenig angegriffen. Die ATS Cup-Felgen gab es als Originalzubehör, der Lochkreis 3 x 150 ist zumindest etwas exotisch.
Die Frage, die Martin sich stellt: fahrbereit machen – oder Vollrestaurierung? Er wird es mit sich selber ausmachen müssen. Der Marktwert ist kein Anhaltspunkt. Es gibt keinen. Das Kraftfahrtbundesamt zählte vor Jahresfrist 21 Renault 15 und 37 Renault 17. Auf der gängigen Online-Plattform findet sich nicht ein R15 und nur ein einziger R17 wird angeboten. Ein TS, nicht eben original und mit eigentlich zu gutem Lack. Eine Besichtigung will gründlich überlegt sein. Das Fahrzeug steht rund 1.600 km südöstlich von Berlin. Rechts neben den wenig aussagekräftigen Bildern: eine Zahl im oberen vierstelligen Bereich. Wer Abenteuer sucht mag sich auf den Weg machen.
Egal wie Martin sich am Ende entscheidet. Sein Abenteuer wird kleiner bleiben als es das für Renault einst war, die komfortorientierten R15 und R17 in das Segment der eher ruppig-sportlichen Coupés vom Schlage der schon erwähnten Mantas und Capris, dem Fiat 124 Coupé und Alfas Bertone-Coupé zu positionieren. Immerhin waren Renault 15 und 17 erfolgreicher als der Nachfolger Fuego, über den wir an anderer Stelle berichten.
Historische Unterlagen sind bei Oldtimerprojekten sehr nützlich - oft aber nicht dabei.