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WEB Z62 0421Sehr selten sind nicht nur die Bagheera, sondern auch die Teile für die 50-jährigen Schätzchen. Nur gut, dass Christian Bollerhoff auf das gesammelte Franzosen-Wissen seines Arbeitgebers Atelier-Automobile in der Classic-Remise zugreifen kann. Fotos: Oldtimerreporter.Kruse


Soll einer sagen, die Oldtimerreporter wären nicht tagesaktuell: heute vor genau 50 Jahren stellte Chrysler/France der breiten Öffentlichkeit in Le Mans einen gemeinsam mit Matra entwickelten Mittelmotorsportwagen vor. Der Matra-Simca Bagheera machte Eindruck auf Fachwelt und Auto-Interessierte, verfügte er doch über einige Extravaganzen wie „Schlafaugen“, exzellente Aerodynamik, eigenartige Mischbereifung und als Alleinstellung drei Sitzplätze vor dem Mittelmotor. Unser Foto-Exemplar kam noch mit einer weiteren Besonderheit: seinem Besitzer, der nicht einmal halb so alt ist wie sein Fahrzeug.
25 Jahre! Nein, dies ist weder das Alter des Autos noch des Fahrers. Die Altersdifferenz ist gemeint – und dieser Matra-Simca Bagheera ist von 1975. Der Rest ist Kopfrechnen.
Christian Bollerhoff wird also noch etwas brauchen, um wenigstens halb so alt zu werden wie sein Auto, das er übrigens auch im Alltag nutzt. Zum Beispiel um aus seiner Heimatstadt Bamberg nach Berlin zu fahren, wo er bei Atelier Automobile erst ein Praktikum gemacht hat und im September seine Ausbildung zum Mechatroniker beginnt. Nicht seine erste übrigens, zuvor studierte er Automobilmanagement in Glauchau. Den Autonagel hat er also schon ziemlich tief im Kopf.

Kein Wunder, ist er doch in einem klassikeraffinen Elternhaus aufgewachsen und auf den Rücksitzen verschiedener Simcas sozialisiert worden. Insofern war dieser Bagheera ein logischer Zuwachs des Bollerhoff’schen Fuhrparks, als sich 2017 die Gelegenheit ergab, das seltene Stück aus Frankreich nach Oberfranken zu holen.
Insgesamt recht gut erhalten, waren am Rahmen lediglich zwei Bleche einzuschweißen. Überhaupt trägt dieser Bagheera etwas Patina mit Würde und ist rollender Ausdruck der Philosophie, dass alte Autos vom Rumstehen nicht besser werden.
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Nicht ganz leicht zugänglich - der Motor des Bagheera. Auch beim Simca Rallye 2 zeigte sich die Doppelvergaseranlage ziemlich sensibel.


Natürlich ist an so einem unrestaurierten Original immer etwas zu schrauben. Aktuell benötigen z.B. die beiden Weber-Doppelvergaser Zuwendung. Sie beatmen einen 1,3-Liter-Vierzylinder, der aus dem Simca Rallye 2 stammt und beim Umzug in den Bagheera auf 84 PS erstarkte. Die sanfte Stimme des namensgebenden Panthers aus Kiplings Dschungelbuch darf man freilich nicht erwarten. Im Gegenteil: so 4.000 min-1 aufwärts wird es laut, aber die müssen es schon sein, damit der Bagheera annähernd so schnell ist wie er aussieht.
Rund 12 sec auf hundert und 186 Spitze reißen heute keinen mehr vom Hocker. Im damaligen Umfeld von u.a. Fiat X1/9, VW-Porsche 914, BMW 2002 ti war man aber gut dabei – und das bei limousinenhaftem Komfort wie die Tester betonten. Die Vorderachse vom Simca 1100 und die von Matra gezimmerte hintere machen einen tollen Job.
Die Reifen tun das ihre dazu: Vorderachse mit 155 HR 13 (unser Foto-Auto steht auf 185/60), Hinterachse mit 185 HR 13, 80er(!) Querschnitt, verstörend viel Gummi für heutige Sehgewohnheiten. Das federt schön und die „dicken Ballons“ an der Hinterachse verlängern die Übersetzung ohne Eingriffe in Getriebe und Achse. OK, präziser fährt es nicht durch die hohen Flanken, aber damals wusste noch jeder Fahrer, wohin Mittelmotor und kurzer Radstand führen, wenn man es übertreibt.
Apropos Übertreibung: die Tester der seligen Zeitschrift „hobby“ verbrannten bei einem Schnitt(!) von 169 km/h volle 15,6 Liter! Unser Christian lässt es meist bei 140 bewenden und kommt mit der Hälfte aus. Neben Verbrauch und Komfort ist auch der sehr brauchbare Kofferraum ein Indiz für respektable Alltagstauglichkeit.
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Schönheit liegt wie immer im Auge des Betrachters. Wir finden: Ein Oldtimer muss sich vor allem aus der Masse der automobilen Uniformität - auch seiner Zeit - hervorheben. Und das tut der Bagheera - auf jeden Fall.


Wem bei diesem Wort die alte Geschichte von der silbernen Zitrone, mit der der ADAC den Bagheera 1974 „ehrte“, in den Sinn kommt – ein gewisser Herr Bier aus Berlin hatte damals wirklich Pech mit dem Auto und wer mehrere Quellen hinzuzieht, wird vielleicht auch den Eindruck gewinnen, dass Herr Bier dabei zunehmend empfindlicher wurde. Tatsächlich berichteten alle Tester über die schlechte Verarbeitungsqualität des Bagheera. Ganz allein war der damit nicht. Viele Hersteller hatten in den 70ern grundlegend andere Vorstellungen von Qualität als heute.
Auch das ist dem Besitzer „unseres“ Bagheera bewusst. Respekt vor dem Fahrzeugalter, eine Vorstellung von Ersatzteilversorgung und Reparatur(un)freundlichkeit, Stichwort: Zugänglichkeit des Motors, legen ohnehin einen schonenden Umgang nahe. Ganz zu schweigen von der Seltenheit des Bagheera. Das Kraftfahrtbundesamt kennt gerade noch 55 zugelassene Exemplare. Im Vergleich sind Fiat X1/9 und VW-Porsche regelrechte Massenerscheinungen.
Ein wenig Schonung darf der gelbe Panther auch aus anderem Grund erwarten: Christian Bollerhoff hat sich als Sommerprojekt schon einen Talbot Samba auf die Seite gestellt. Aber das ist eine andere Geschichte.