Die Ausstellung mit über 130 Fahrzeugen gibt sich international: hier mit einem Büssing-Emmelmann Überlandwagen / Reisewagen.
Fotos: Oldtimerreporter.Müller
Sonntag, 04.07.2021, Wissembourg- Altenstadt. Die Sonne hält sich bedeckt am elsässischen Himmel. Vor den Toren einer ehemaligen Autoteilefabrik versammeln sich – wie jeden ersten Sonntag im Monat- zahlreiche automobile Schätze älteren Baujahres und berichten von ihrem bewegten Leben. Makellos restaurierte 2CV (mit Sondermodell Spot!), Citroen DS mit leichter Patina, eine Dauphine mit Lebensspuren, mittendrin ein fast zu moderner Renault 9, BMW E12 und, und, und. Mensch und Maschine tauschen sich angeregt aus, Kaffee wird serviert, elsässischer Gugelhupf natürlich auch.
Vor den Toren also eine angeregte Atmosphäre – und was geschieht in den heiligen Hallen? Die Szenerie dort könnte man beinahe als andächtig beschreiben. Woran das liegt? Die Antwort darauf liefern die „Bewohner“ der großen Hallen: Etwa 130 Omnibusse und Nutzfahrzeuge der 1920er – bis 1990er-Jahre. Unzählige bekannte und weniger bekannte Hersteller sind vertreten, da finden sich Mercedes O321 neben Saviem-Bussen, hier ein ISOBLOC-Omnibus, dort ein Citroen Belphegor, eine Berliet-Feuerwehr, ja sogar ein Massey-Ferguson Mähdrescher ist zu sehen.
Luxuriöse Setra-Reisebusse, die sogar samt Fahrer gemietet werden können, nebst noch glamouröseren Neoplan- Exemplaren. Der Zustand der Exponate schwankt dabei von Note 6 scheinbar nicht mehr rettbar bis zu Note 1 und „wann geht die Reise los“. Eine faszinierende Mischung der Baujahre und Zustände, eine wunderbare Ladung Fahrzeughistorie, die den Betrachter in den Bann zieht. Damit verbunden auch eine Menge an ausstehender Restaurationsarbeit, die nächsten 80 Jahre habe man sicher Beschäftigung damit, so der AAF-Vorsitzende Jean-Louis Eschenlauer.
Auch bei der Post beliebt: Saviem S 53.
Dem naiven Betrachter stellt sich die Frage: Wie kommt man zu 130 ausgewachsenen Alt-Nutzfahrzeugen? Wieso sammelt man diese und nicht etwa die 1:43-Modelle dazu? Monsieur Eschenlauer weiß eine Antwort: Manches beginnt harmlos und endet uferlos.
2007 sind einige (ehemalige) Busunternehmer und Busfahrer daran interessiert, exakt zwei herrenlose alte Omnibusse vor dem Tod durch die Schrottpresse zu retten.
Zahlreiche Aufrufe zur Beteiligung am guten Werk bringen kaum Resonanz, man beschließt nun die Gründung eines Vereins, um die Sache zumindest rechtlich abzusichern. Das ist die Keimzelle des heutigen AAF (Anciens Autocars de France). Eine Halle zur Unterbringung der Omnibusse findet sich auch bald. Und wie es so geht, wo sich zwei Omnibusse einfinden, hat auch noch ein dritter Platz. Ein vierter auch noch, ein fünfter, ein sechster… ein hundertdreißigster. Inzwischen ist der AAF in der Altbus-Szenerie so bekannt wie ein Renault 4 in Paris. Im Grunde muss der AAF die Busse nicht mehr selber zu suchen, sie kommen auf Zuruf gelaufen. Immer wieder erreichen die AAF-Mannen Anfragen im Stile von „Wir hätten da noch…“. Da heißt es dann Transportanhänger satteln und auf in die Bretagne, nach Paris oder, oder.
Die Neoplan-Flotte vermittelt sich durch das Engagement des Ehrenvorsitzenden Konrad Auwärter, seines Zeichens ehemaliger Inhaber der Neoplan-Werke. 2019 ereilt die AAF-Mitarbeiter der Anruf eines Busunternehmers aus der Bretagne. Er habe da noch einen alten Citroen U45-Omnibus, seit 15 Jahren stehe der nun in der Halle seines Unternehmens und werde nicht besser dabei. Ja, 2015 und 2018 noch habe er ihn nicht verkaufen wollen, aber nun sei die Zeit für ein au revoir gekommen. Das lässt sich der AAF nicht zweimal sagen und bringt den Citroen auf einem Transporter ins Elsass. Bestandsaufnahme: Citroen P45, Karosseriezustand Note 5, aber nicht unrettbar. Geburtsjahr 1938, nach größeren Schäden erster Umbau 1948 mit damaligen Mitteln.
Mit "Perrong"! Der beliebte Renault TN, dessen Grundkonstruktion aus den 30-ern stammt, hielt sich in manchen Städten Frankreichs in unterschiedlichen Versionen bis weit in die 70-er Jahre.
Die offene Plattform wurde regelmäßig innerstädtisch eingesetzt.
Der Karosseriebauer Faurax et Chaussande nimmt das zur Hand, was es eben gibt- auch wenn das Teil eigentlich von einem ganz anderen Fahrzeug stammt. 1963 nimmt sich ein findiger Handwerker des alten Citroen an, es folgt eine Umgestaltung handwerklich bester Art zum XXL-Wohnmobil. Inklusive Kühlschrank mit Kompressorantrieb! Eine Menge solch spannender Geschichten weiß Jean-Louis Eschenlauer bei einem Rundgang durch die Bushallen zu erzählen. Filmaufnahmen mit AAF-Oldie? Immer gerne! Warum hat ein einziger Chausson-Bus auf der Welt Flugzeugsitze im Interieur? Ganz einfach: Der Käufer des Busses in den 50er-Jahren ist ein Vielflieger und liebt die komfortablen Sitze der DC10. Das möchte er seiner Kundschaft auch gönnen! Abschließend ein besonderes Schmankerl: Eine halbstündige Rundreise in einem Renault TN4-Omnibus von 1936. Keine Servos für den Fahrer, keine Filter für den Fahrgast. Ein Schlagloch ist ein Schlagloch, das spürt man hier, ebenso den äußerst lässig gekapselten Motor. Innen eine nostalgische Mischung aus Kunstleder und Echtholz (!), man atmet den Geist der damaligen Zeit.
Diese faszinierenden Eindrücke und Informationen sind ab jetzt regelmäßig bei Führungen (auch in deutscher Sprache) zu erfahren. Oder eine Gruppenfahrt im Busoldie des AAF? Besuchen Sie die besondere Bushaltestelle AAF!